Skulptur in der Eingangshalle
Skulptur "Balance 2000" - Gedanken dazu von der Schöpferin, der Bildhauerin Valeria Sass, Berlin, Juliusstr.4:
Die gegenwärtige Beziehung zwischen Mensch und Natur ist Thema täglicher Diskussion. Sie gründet sich in der alten Geschichte der Vertreibung aus dem Paradies und der damit verbundenen Entfremdung von Mensch und Natur. Diese zu überwinden nennt Heinrich Kleist "Wir müssen die Reise um die Welt machen und sehen, ob das Paradies vielleicht von hinten irgendwie offen ist" oder Gert Kaiser schreibt "Vorwärts zur Natur zurück". Mein künstlerisches Konzept schließt solche Ideen ein.
Das Kunstwerk, - mit dem Titel "Balance" -, ist mit dem Genius des Ortes verbunden. Die geballten Informationen der Naturwissenschaft, die in der Bibliothek aufbewahrt werden, werden durch das Kunstwerk thematisiert, verdichtet und bildhaft dargestellt. Die Skulptur steht auf der gleichen Ebene der Passierenden, ihre Größe ist vom menschlichen Maß bestimmt. Sie besteht aus zwei gegensätzlichen Materien: aus Granit und Tageszeitung. Der Granit ist der älteste Stein, das Urgestein. Er ist Vertreter der anorganischen Welt, der durch seine Schwere eng mit der "Gesamtmasse der Planeten" verbunden ist. Er ist Vorläufer der Geschichte der organischen Welt und Träger der Erdgeschichte, deren Epochen an der Charakteristik der Gesteinsbildung ablesbar sind. Die Tageszeitung ist Träger der jüngsten Geschichte, Vorläufer der Geschichte der Informationsgesellschaft. Bei der Schichtung entstehen schriftähnliche Strukturen, wobei die Schrift fragmentarisch in Erscheinung tritt, ohne ihren auf Information bedachten Inhalt preiszugeben.
Auf Grund des künstlerischen Konzeptes entsteht zwischen dem Gesamtvolumen und seinem Einschnitt eine Öffnung, die mit Tageszeitungen gefüllt ist. Das ist die Schnittstelle, in der die aktuellen Informationen der Gesellschaft und die Informationsgeschichte des Steines in Dialog treten. Die Position der Zeitung in der Gegenrichtung zur Position des Steines soll vermitteln, dass die Geschichte der Natur und der Kultur sich im ständigen Akt des Balancierens ergänzen.
Die Skulptur zeigt diese Balance von Natur und Kultur, zeigt aber auch in den Seitenansichten und in der rückwärtigen Sicht die Fragilität dieser Balance und fordert zur Auseinandersetzung mit dem Thema "Weltreise zum Paradies" auf. Das Paradies ist zwar immer noch verschlossen - die Reise lohnt sich - doch die Barriere hat immerhin ihre ursprüngliche Position verändert. Wer das Bild vom Paradies ernst nimmt, darf es nicht einfach mit der Natur gleichsetzen. Gerade deshalb ist Kleists Erinnerung an das Paradies, das wir "vielleicht von hinten irgendwie offen" finden, so richtig und wichtig. Es muss ein neues Paradies gefunden werden.
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